Freitag, 26. November 2010

Taube tot, Rotkäppchen verschlampt

Manchesters Scheisswetter-Garantie.
Der Klang von Regentropfen, die ans Fenster prasseln, weckte uns gegen Mittag. Manchester hielt seine Schlechtwettergarantie wirklich ein. Beim morgendlichen Inventar unserer geistigen Kapazitäten stellten wir fest, dass die Denkmurmel doch arg ramponiert war. Entsprechend begriffen wir nicht, weshalb sich der Preis für unsere Betten einfach so vervielfacht hatte. "It’s the game, stupid", meinte der Rezeptionist, von so viel geistiger Trägheit angewidert. "The game?" Ach so, Manchester United, Fussballmatch und so. Mit einem Seufzer griffen wir tief in die Tasche, um unsere letzte Nacht in ‘chester zu finanzieren. 


Vor einem netten Kaffee übte sich eine verstorbene Taube im Verrotten. Die Trauergemeinde war offenbar noch nicht da. Wir grüssten verlegen und verschwanden in einem mehrstöckigen Gebäudekomplex voller kleiner freaky Shops. Derboni wollte sich unbedingt mit Souvenir-Textilien eindecken. Nach gefühlten 60 Läden hatte er seine zwei T-Shirts beisammen, von denen er das eine – mit Bären drauf, die Rotkäppchen abfüllen – keine 15 Minuten später in der S-Bahn liegen liess. Wegwerfmentalität total. Die Bahn fuhr uns übrigens Richtung Imperial War Museum, weil wir uns in Sachen kriegstreiberische Geschichte des British Empire noch nicht aufdatiert fühlten. 


Wir schreiben hier absichtlich "Richtung Museum" und nicht "zum Museum". Denn die angeblich nahe Haltestelle, die uns der "The Game"-Döskopp aus der Jugendherberge genannt hatte, war doch nicht so nah. So konnten wir immerhin schlendernd das Fussballstadion passieren. Die edle Zunft der Budenfrass-Besitzer bereitete sich gerade auf einen Ansturm zahnloser Hooligans vor. Uns schauderte ob so viel brutzelndem letztklassigem Fleischpamps, da kam gerade Frau Stroch mit einem fahrbaren Untersatz um die Ecke gesaust. Sie karrte uns zum Museum und verabschiedete sich sogleich, da es für sie back home ging. Nicht ohne vorher noch höhnisch anzumerken, dass wir ja noch ganze 60 Minuten hätten, ehe das Museum schliesst. Na das wollen wir doch mal sehen. 61 Minuten später waren wir wieder draussen und hatten so gut wie nix über die Kunst des Kriegführens gelernt. Meh, whatever.


Enter Chinatown
Zusammen mit Christian, den wir nächtens mittels Vitamin THC kennengelernt  und nun an der S-Bahn-Haltestelle wieder getroffen hatten, hauten wir uns in China Town den Bauch voll mit Leckereien aus Fernost. Abends gingen wir in ein, wie neutrale Beobachter meinten, reichlich schnarchnasiges Konzert irgendeiner mutmasslich hippen Alternative-Band. "Schon verdammt lahmarschig", kritzelte eine, welch Zufall, aus Graubünden entsandte Delegation der internationalen Konzert-Beaufsichtigungsbehörde in ihren Notizblock, wie Bill erspähen konnte. Irgendwann war das sogenannte Konzert überstanden und auf der Bühne auch das letzte Hauchen ausgehaucht. Bill fühlte sich schon wieder ziemlich tschüss, der Gin Tonic haute rein, und Derboni verfasste im Geiste eine SMS an das Küken Anita. Dem Papst würde er morgen auch schreiben. Mal fragen, wie er es mit der Religion so hält.

Das hatte schon alles seinen Grund. Also das mit Anita. Denn wir trafen das Küken nächstentags wieder in London, wo wir uns in einer Jugendherberge im kultigen Stadtteil Camden verabredet hatten, die nach Plänen eines U-Boots aus den Zwischenkriegsjahren gebaut war. Das Küken hatte sogar Küken-mässige Verstärkung aufgefahren: Fabienne, die auch ein prima Kamel abgeben würde. Doch alles der Reihe nach ...

Montag, 1. November 2010

'chester Baby!

Selbstporträt-Pfütze.
Eigentlich wollten wir unsere Ankunft in 'chester gleich mit einem Besuch des abendlichen Pub-Quizes, von dem der Storch mit glänzenden Augen geschwärmt hatte, begiessen. Doch wir tuckerten zu spät ein, deshalb Plan B: Arbeiterklasse-Pub, Ale, irgendein anderes Pub, noch mehr Ale, dem DJ dabei zugeschaut, wie er einen Betrunkenen spielt respektive einem heillos Betrunkenen, wie er DJ spielt, wer weiss das bei diesen Briten schon so genau, rausgerauscht, auf dem Heimweg einen Joint erschnüffelt, dessen Besitzer natürlich ein Schweizer war, Christian von Namen, laberlaber, paffpaff, der Vorhang fällt.  

Im Schlaf mussten wir kognitiv verarbeiten, dass irgendso ein International Business Man, mit dessen Arbeitgeber es bachab zu gehen schien, krisenbedingt mit einer Jugendherberge vorlieb nehmen musste statt einer 5-Sterne-Hotel-Suite. Aus Frust hatte er sich ins falsche Bett gebettet (sie waren nummeriert). Morgens warf er einen mürrischen Blick in die Runde, zurrte sich demonstrativ business-mässig die Krawatte fest und warf sich in den grauen Regen- und Arbeitstag. Arme Sau. Wie schön wir es doch hatten! Unsere Brötchengeber konnten einfach so vier Wochen auf uns verzichten. Eine deutsche Tussi hatte uns allen Ernstes gefragt, ob das nicht schlimm sei, zu wissen, dass man so ersetzbar sei ...   

Beatles-Geschmiere in Liverpool.
Besser als alles, sogar als Jesus, waren bekanntlich die Beatles. Was für eine Überleitung, schlimm. Jedenfalls zollt Liverpool, von Manchester mittels Bahn einfach erreichbar, seinen vier berühmtesten Söhnen eifrig Tribut. Ein Besuch im offiziellen, notariell beglaubigten und von McCartney abgenickten Beatles-Museum war da Pflicht. Das Museum ist wirklich cool eingerichtet, mit viel Musik und Zeugs. Selbst der Cavern-Club, in dem die Fab Four Anlauf zur Weltherrschaft nahmen, ist nachgezimmert. Zusammengefasst erfährt man: Die Karriere der Beatles ist der grösste PR-Coup, der je einmal gelandet wurde. Respekt, Mister Brian Epstein. Der Typ hat das Image der Beatles erfunden und so ziemlich alles richtig gemacht, was Vermarktung angeht.

Die von Querelen und Streitereien begleitete (wie wir vermuten) Zeit vor der Trennung der Beatles wird übrigens verdächtig wortkarg abgehandelt. Frau Ono etwa ist den Verwaltern des Beatles-Erbes einen ganzen Halbsatz wert. Dafür erfährt man, dass George Harrison leidenschaftlicher Gärtner war. Darüber lässt sich angeregt diskutieren, im Beatles-Store oder im Beatles-Starbucks-Cafe. Der Geist von Epstein rasselte begeistert mit seinen rostigen Ketten.

Schritt für Schritt ins gelobte 4D-Land.
Nach einem erfolglosen Versuch, den Vorführungsort zu finden, an dem ein 4D-Filmchen über die Beatles gezeigt werden sollte, hefteten wir uns heimlich an die Fersen eines pilzköpfigen Museums-Mitarbeiters, der angeblich auf dem Weg ins gelobte Land der Vierdimensionalität war. Eine ziemlich abenteuerliche Verfolgungsjagd durch Liverpool war das. Als Diplom-Schnüffler wurden wir natürlich nicht erkannt, was uns mit einer diebischen Freude erfüllte, die wir uns aber natürlich nicht anmerken liessen. Der Film war dann eher mau und wir waren flugs wieder in Manchester.

Der Himmel öffnete seine Schleusen und wir taten es ihm gleich. Zusammen mit Storch ging es auf eine lange und anstrengende Sauftour durch das nächtliche 'chester. Ein Pub war früher mal eine Bank, ein anderes ein öffentliches Klo, und von einem Pint im "Old Monkey"-Pub hatte zumindest Bill schon seit Kindstagen geträumt. Irgendwann hüpften wir über die 3-Promille-Hürde und landeten im quietschbunten Schwulenquartier, das auch für unsere Stadtführerin Neuland war. Dem Türsteher der ersten Bar waren wir dann aber zu wenig homo, weshalb er uns einfach so den Zutritt verwehrte. In der "Taurus Bar" sahen sie das Ganze weniger eng und wir konnten uns in schräger Gesellschaft gepflegt abschiessen. Und darüber grübeln, wie sinnvoll eigentlich eine geschlechtergetrennte Toilette ist, wenn die Hälfte der Gäste transsexuell ist. So wie "Liza Minelli", die einen eher maskulinen Tag erwischt hatte, aber trotzdem nur so über die Bühne fegte. Halt ganz der Profi.
Zwei Supernasen tanken Ale - das Bild zum Blog.

Montag, 27. September 2010

Terror wider das Vergessen und sauteure Heiligkeit

In der Nähe vom Schloss, vor dem Warnschuss

Vollgepumpt mit Vitaminen ging es per pedes durch die schicke Altstadt Edinburghs, mit historischen Bauten, verwinkelten Gassen und Treppen allerorts. Natürlich landeten wir auch vor dem berühmten Schloss. Aus Anlass des neunten Jahrestags des 9/11-Terrors wurde da auch eine Kanone abgefeuert - Schussrichtung Aberdeen, so weit wir das erkennen konnten. Der Eintritt über 17 Pfünder war uns dann aber trotz Spektakels zu hoch angesetzt. Stattdessen folgten wir den Stimmen des Wahnsinns, die nach drei Wochen Rucksackreisen durch unsere Oberstübchen fegten, und vertrödelten eine rekordlange Zeit im gut bestückten Souvenirshop. 


Danach trafen wir Ina wieder, die deutsche Dame, die wir in Glasgow zwecks Pinkel-Notfalls mit einer US-Schweinefarm-Prinzessin im Regen stehen lassen mussten. Zu viert gings in den Untergrund. Auf einer gruselig angehauchten Führung liessen wir uns etwas darüber erzählen, wie die vor Unrat und Pest-Memoribilia überschwemmten Gassen des früheren Edinburghs eines Tages einfach überbaut wurden. Die verarmten Menschen, plötzlich unterirdisch hausend, wurden aus ihren Bleiben gekonnt herausschickaniert. Man hat aus der Geschichte gelernt: Im "Pizza Hut" konnten wir abends jedenfalls beobachten, wie sich der Lehrling geschlagene neun Stunden der Reinigung einer Glace-Maschine widmete. Pest-Gefahr minim, trotzdem wurde Frau Störchin schlagartig schlecht. 

National Monument, die heimliche Party-Zone
Wir mussten nachdenken. Bei einer Flasche schottischem Wein, Geschmacksrichtung Fruchtsirup, die wir illegalerweise auf den Calton Hill schmuggelten und dort noch illegalererweise auf dem National Monument sitzend leerten, das natürlich an gefallene Soldaten erinnert. Normalerweise wird sich hier nicht abgeschossen, sondern Fotos geschossen, denn von dem Hügel aus hat man einen schönen Blick über die Stadt.

Auch nächstentags kamen wir aus dem Grübeln nicht raus. Kennt Edinburgh doch ein eher absurdes Alkoholgesetz: So konnten wir beim mittäglichen Mahl im Muschelrestaurant zwar Bier bestellen, doch die Bedienung durfte das aufgrund irgendwelcher Paragraphen nicht auf die Terrasse bringen. Tappst der biersuchende Gast hingegen an die Bar und krallt sich die Flasche selbst, ist alles kein Problem. 
  
Die Regel könnte auch mit der Sicherheitsparanoia zusammenhängen, die das Empire angesichts des ersten Papstbesuchs seit fast 500 Jahren überschwemmte. Jedenfalls war der Heilige Vater schon im Anflug und verteuerte, da er "the sick and the insane" noch immer in grosser Zahl lockt, gleich noch die Zimmerpreise in der Stadt und legte prophylaktisch auch mehrere Strassen lahm. Dass die Visite den britischen Steuerzahler zwölf Millionen Pfünder kostete und nur jeder zehnte Inselaffe katholisch ist (die meisten gehören zur Anglikanischen Kirche) machte die Sache auch nicht besser. 

Bill aufm Weg zum Rock Garden
Ente an Spinat.
Zum Abschluss wuselten wir noch durch den Royalen Botanischen Garten, wo man viel über den fantastischen Fungus und anderes Gewächs lernt (auf dem Weg dorthin gelangten wir in eine vermeintliche Sackgasse. Doch schnell über eine Mauer geklettert, und schon ist die Situation entschärft. Dirigiert wurden wir beim Kraxeln übrigens von einer sachkundigen Anwohnerin, die aber gerade schlecht zu Fuss war, da sie sich beim Über-die-Mauer-Klettern jüngst am Rücken verletzt hatte. Von der Mauer gehüpft, kurz die angegrauten Herren gegrüsst, die an einem Tümpel mit ihren Modellschiffen Jagd auf Schwäne machen, und dann weiter, als wäre nichts). 

Dann reichte es der Störchin: Als International Business Woman nie um Durchgreifen verlegen, packte sie uns in ihr Auto und karrte uns bleifüssig aus Schottland raus nach England, in dessen zweitgrösste Stadt; Manchester. Mit Regengarantie und frei von jeder Sehenswürdigkeit. Klingt nach nem Plan. Immerhin erweichten wir die International Business Woman vor der Abfahrt so weit, dass wir einen Abschieds-Whisky trinken durften. War schön, Schottland, auch wenn wir kaum etwas verstanden haben. Und wo ist eigentlich Ina abgeblieben? Miserables Storytelling... 

Donnerstag, 23. September 2010

Don't stop the bed bugs

Frau Störchin
Bei der abendlichen Ankunft in Edinburgh erwartete uns schon die Störchin, eine trink- und quatschfreudige Kumpanin von Bill. Sie verdiente sich ihre ersten Punkte auf der globetrotteligen Sympathieskala allein schon durch die Wahl unserer Bleibe: Wir bezogen Quartier in einer Jugendherberge, die in einer einstigen Kirche untergebracht ist. Natürlich mit Bar im Kellergeschoss. Pennen und bechern im Hause des Herrn? In your face, Aberdeen-Fatzkes!

Doch erst war noch das Nachtleben zu erkunden. Immerhin zählt die schottische Hauptstadt über 700 Pubs. Blindlings stürmten wir das erstbeste, das unseren Weg kreuzte. Das Ding hatte erstklassig-ungesunden Pub-Frass zu bieten und eine 1A Jukebox (versehen übrigens mit dem Hinweis, man solle diese Unterhaltungsapparatur "responsibly" bedienen - auf der Affeninsel wird stets und überall an die Vernunft appelliert, was angesichts der Trunkenbold-Quote einfach nur absurd ist). Einige Pfünder im Münzschlitz versenkt et voilà: 

- Queen: Don’t stop me now  (Unesco-geschützte Partyhymne)
- Beach Boys: Kokomo

- Herb Alpert: Tijuana Taxi
 
- The Trashmen: Surfin' Bird
- David Hasselhoff: Jump in my car
 (It‘s the Hoff, stupid!)

- Black Sabbath: The Writ
  (passt überhaupt nicht in diese Reihe. Doch Bill lief der Song nach, seitdem er ihn in Inverness gehorcht hatte, während er an einem düsteren, verregneten Nachmittag kränkelnd allein am Ufer des Flusses Ness gehockt war. Schwärzer kann Musik kaum klingen.)


Hau rein, Derboni. 
Danach gabs, in keiner bestimmten Reihenfolge, einige Gläser Whisky, pönkige Live-Musik einer Schülerband und ein nächtliches Blitz-Duell mit einem lädierten Sheriff, der uns nicht auf seinem Trottoir-Stern haben wollte, ehe es Zeit war, sich von den Bettwanzen in der Jugi-Matratze vernaschen zu lassen. Das Interieur einer Kirche ist übrigens nur bedingt für eine gesegnete Nachtruhe geeignet, obwohl man während Messfeiern ja jeweils kaum die Augen aufbehalten kann. Denn wenn jemand irgendwo in der Kirche hustet, dann macht das Kirchenschiff daraus hallbedingt einen mittelprächtigen Lärm-Orkan. Und in dieser verdammten Kirche wurde um 5 Uhr in der Früh zum grossen Hust-Spektakel geblasen (die obligatorischen Italiener plapperten natürlich auch noch in der üblichen Penetranz vor sich hin). Also aufgerappelt, Wanzenbisse begutachtet und dann zur Stärkung ab zum deftigen Scotish Breakfast um die Ecke. Derboni nahm es mit fetttriefenden Würstchen, Black Pudding genannter Blutwurst, Rührei, zwei verschiedenen Sorten Härdöpfel und und und auf. Zum Glück gab es da ein Dachfenster, durch das sein Cholesterinwert raketenmässig durchstarten konnte.

Schöne Bude in Edinburghs Altstadt. 
  

Dienstag, 21. September 2010

Aberdeen - Fairtrade Shithole


Aberdeen - Fairtrade City, ja klar
Der Küste lang von Dufftown nach Aberdeen, das ist eine Fahrt vom Whisky Capital of the World über kleine Dörfer, die einst traditionelle Fischerdörfer waren, deren Bewohner sich dank der industriellen Überfischungsphase plötzlich viele Ferraris leisten konnten und die jetzt so dahindümpeln und sich eine neue Einnahmequelle suchen. 

Inmitten dieser Szenerie verliess der Busfahrer wortlos den Bus und ward nie mehr gesehen. Dabei hatte er am Stopp zuvor Demboni zuliebe extra länger gewartet – denn dieser musste "go for a paddling" oder so ähnlich, schottisches Gebrummel halt. Nach 30 Minuten, einem erfolglosem Versuch, den Bus zu verlassen und rätselnden Gesprächen unter uns Fahrgästen sprang ein Notfallfahrer mit gelber Weste ein. Er nahm eine Abkürzung.


Bill auf der Suche nach Bier und Futter
Schon in Inverness hatte uns ein eifriger Stammtischphilosoph von Aberdeen abgeraten. "It’s a shithole", so die Einschätzung. Aberdeen lebte mal vom Walfang, seit einigen Jahrzehnten sind die Leute auf Nordsee-Öl, auch da ist man auf der Suche. Ebenso wir, nach einem freien Hostel nachts um zehn zum Beispiel. Wir hatten Glück, inmitten von Aberdeens schniekster Ecke, wo Porsches vor Anwaltskanzleien stehen, peinlich genau gemähte Rasen vor PWC, alles zusammen vor KPMG, HSBC und so weiter. Und mittendrin wir. Wir brauchten Bier – und Futter.


Beides gibts nur Downtown. 15 Minuten Fussmarsch und unzählige Villen weiter kriechen einem die Penner, Vagabunden und Drogenkranken aus allen Ecken und Gassen nur so entgegen, sie liegen schlafend im Burger King oder stehen neben einem für Essen an, auf der Stirn der kalte Schweiss des Süchtigen. Währenddessen vernichten der stilvolle Herr in Krawatte und seine Dame in Mini und Highheels wacker Pints, zum Beispiel in einer zur Bar verbastelten ehemaligen Kirche. Bechern im Hause des Herrn? Das erfüllte uns schon mit Neid. Um Mitternacht ist auch hier Ende Feuer, dann geben sich die Herren mit Stil auf die Kappe, bis die Polizei kommt. Der Aberdeener kann aber nichts für seine Widrigkeit, es ist die Stadt, die ihm das antut. Nach eingehenden Feldversuchen kamen wir zum Schluss, dass die Stadt sich nur mit mindestens einem Liter Bier intus ertragen lässt. Jedenfalls verliert die ganze Abscheulichkeit dann etwas an Wucht. Das lässt sich nur vor Ort begreifen.

Gefangen im Ölmuseum
Tagsüber wollten wir auf den Fischmarkt, doch der findet nachts statt. Nach Fisch stinkende Lagerhallen bei Regen und Nebel und ein Hafenschild mit der Aufschrift "Aberdeen – Fairtrade City" reichten, um das Vertrauen auch in Fairtrade zu verlieren. Also gingen wir ins Ölmuseum, da lernten wir, wie es auf einer Ölplattform so aussieht, dass die Sicherheit stets gross geschrieben wird für alle und alles, auch beim Auseinandernehmen der überalteten Rostbohrer, die sie wegen Umweltbewusstsein nicht mehr versenken dürfen. Es hat da auch eine Miniaturbohrinsel, die verdammt hoch ist. Um die Ecke beim Museum hats ein uraltes Denkmal von der Heilsarmee, die ist in Schottland aber auch wirklich überall. 

Am Kiosk kriegt man die eine Bezahlzeitung gratis (Name vergessen) und noch 50 Pence geschenkt, wenn man dazu ein bestimmtes Mineralwasser kauft (Name ebenfalls vergessen). Gedanklich in dieses Geschäftsmodell versunken, tappten wir zum Bus nach Edinburgh - in uns schwappte wiederum ein Liter Bier. Aberdeen lässt einem keine Wahl.  

Montag, 20. September 2010

Zwei Highlander auf Mücken- und Whiskyjagd

A new Sheriff in town. 
Trotz krankheitstechnischer Mattigkeit liessen wir uns nicht von unserem Programm abbringen. Okay, einen Tag lang mussten wir schon den Schongang einlegen und uns in Inverness mit Tee und Whisky (in dieser Reihenfolge) gesundpflegen. Aber dann gings wieder steil bergauf, auch im geographischen Sinne: Für läppische zehn Pfünder kauften wir uns Bustickets für einen Abstecher in die Highlands. Da wir auf Hin- und Rückfahrt die einzigen Passagiere waren und sich der Fahrer als sehr redefreudig erwies, kam uns das Ganze fast wie eine papstmässige Privateskorte vor. Zügigen Temnpos karrte er uns nach Kinlochewe, dem, wie er erklärte, Haupt-Tummelplatz der blutsaugenden Midges.

Bei einem Zigaretten-Stopp wollten wir uns schon über den heftigen Wind und den Nieselregen beschweren, bis uns der Chauffeur zurecht zurechtwies: Denn Wind und Regen hielten die Midges vom Fliegen ab, ansonsten wäre ein Ausflug im Spätsommer – der Mücken-Hauptsaison – die reinste Tortur, erst recht in dieser Gegend. Nochmal Schwein gehabt.

Geräumige Highlands. 
In Sachen Landschaft hatte der bekennende Highlands-Fan übrigens nicht zu viel versprochen. Atemberaubend, ein privater Foto-Stopp kurz vor Kinlochewe war da Pflicht. Da unser Latsch-Muskel inzwischen trainiert war wie sonst was, gings natürlich erneut in die Vertikale. Kraxeln auf einem Berg beim idyllischen Loch Maree war angesagt. Über Waldgrenzen und ähnlichen Blödsinn philosophierend liessen wir uns vom eisig kalten Rückenwind Stärke 10 auf den Gipfel wehen. Da oben war es so kalt wie in einem Kühlschrank und bewölkungsbedingt auch sonst nicht so lässig, also nix wie runter. Das klingt jetzt vielleicht gar miesepetrig, in Tat und Wahrheit war die Landschaft aber schon sehr schön zu betrachten. Und von Gesurre in der Luft bis zum Schluss keine Spur. Unten angekommen informierte uns eine Info-Tafel darüber, dass das Loch Maree nach einem Typen benannt ist, der den Katholizismus nach Schottland gebracht hatte. "The sick and the insane" seien darauf in Scharen in seine Arme geströmt. Klingt plausibel.

Genug Inverness. Unser imaginärer Regisseur setzte einen Szenenwechsel an. Dufftown hiess diesmal das Ziel, ein von potthässlichem, unverputzt-mausgrauem Mauerwerk-Baustil geprägter Flecken Erde. Auf der Habenseite kann Dufftown dafür verbuchen, dass dort nicht weniger als sieben Feuerwasser-Brennereien beheimatet sind, was auf der Gemeinde-Website zum Werben als "Whisky-Hauptstadt Schottlands" verleitet. Das Zeug soll ja früher als Medizin gegolten haben, von daher passte das uns Schnupf- und Schnappsnasen bestens in den Kram.

Glenfiddich, Dufftown-Baustil und alles noch
from too close: Was will man mehr?
Die Glenfiddich-Destillerie empfing uns herzlichst in Form eines leichenblassen Schottenkükens, das uns die Whisky-Gewinnung näher brachte. Den Höhepunkt bildete naturgemäss die wichtigtuerisch-schmatzende Verköstigung von zwölf, 15 und 18 Jahre altem Whisky, wobei man auch als Laie feststellen konnte: Je länger das Zeug in den Eichenholzfässern lagert, desto intensiver der Geschmack. Verlegen kirchernd gestand uns die Blasse bei der Gelegenheit auch, dass ihr Daddy am liebsten den 18-jährigen Whisky säuft, eine gewisse Besorgnis um den Herrn Papa durchschimmern lassend. Das erinnerte uns unmittelbar an unseren Whisky-vernarrten (und bislang offiziell kinderlosen) Kollegen Cyrill H., dem wir aus der benachbarten Postfiliale spontan eine Karte schrieben. Dort wurden übrigens schon im September Weihnachtskarten angepriesen.

Im Empire ticken die Uhren eben anders: Dass danach der Bus Richtung Aberdeen schlappe 50 Minuten Verspätung hatte, nahmen die Einheimischen jedenfalls trotz Regens mit einem Achselzucken hin.

Donnerstag, 16. September 2010

In the Ness

Inverness. Hinter dieser Kleinstadt beginnt der raue, wilde Norden Schottlands. Beispiel gefällig? Schon am ersten Abend erspähten wir eine Dame, die derart verladen durch die Gassen torkelte, dass sie prompt von der Polizei angehalten wurde. Eine kurze, von ihrer Seite laut lallend geführte Debatte ergab: Keine Papiere dabei, keine Schuhe mehr an den Flossen, und beim ladyhaften Plumpsenlassen aufs Trottoir schien es, als ob unter dem knappen Röcklein auch keine Unterwäsche (mehr) getragen wurde. Nach dieser Negativ-Bestandesaufnahme rauschte schon der Kastenwagen an, Schnappsistin rein, Türe zu, ab die Post. Und Tage später sollte in dem Pub, wo wir uns jeweils rumtrieben, ein Stuhl unter dem Geturne eines Säufers zusammenbrechen, was von der versammelten Sippe als Heldentat gefeiert wurde.
Schöner River Ness.
Also musste auch ferienprogrammtechnisch was Wildes her. Nach Tontaubenschiessen stand uns der Unsinn, doch eine 16 Pfünder teure Taxifahrt brachte die Erkenntnis, dass die empfohlene Schiessanlage ausserhalb der Sommersaison geschlossen ist. Schönen Dank auch, Touri-Informationszentrum. Alternativ entschlossen wir uns dazu, das Geheimnis des süffigen Ale zu ergründen, von dem wir schon geschätzte 500 Pints vernichtet hatten. Also gings in die Black-Isle-Brauerei, da peripher gelegen mit Bus und anschliessendem 2-Kilometer-Fussmarsch erreicht, was die alte Lady, die sich dort um Besucher kümmert, zu einem ungläubigen Staunen veranlasste. Muss eine Heiden-Distanz sein, aber die war wohl auch nie auf dem Ben Chevy.

Derboni ready to brew the beer
Ale wird jedenfalls wie Bier gebraut, ausser dass es halt irgendwie Unterschiede bei der Gärung gibt, was Temperatur und Dauer betrifft. Ja, so detailliert wusste die Dame während der lausigen und reichlich improvisiert wirkenden Besichtigung zu berichten. Soso. Immerhin gab es lecker Kostproben von einigen der Biere, die da zusammengezimmert werden, das wars dann aber auch schon. Wissensdurst fürs Erste gestillt. Souverän verpassten wir den nächsten Bus zurück nach Inverness, und das einzige Pub des Ortes öffnet seine Tore aus Angst vor fremdem Gesocks erst nach Einbruch der Dunkelheit.

Endlich zurück in der phänomenalen Jugi – Bazpackers – begrüsste uns der 133 Katzenjahre alte Stubentiger, der hier in früheren Jahren, als der Füüfermogga noch fünf Rappen gekostet hatte, einmal Mäuse gejagt hatte. Wie gewohnt blitzschnell urteilend stellte Derboni mit Entsetzen fest, dass eine Kampflesbe, die mit ihrer Bettgespielin ebenfalls im Hostel hauste, die Atmosphäre im gemütlichen Gemeinschaftsraum durch unablässige Husten- und Niesattacken verpestete. Bei genauerer Betrachtung entpuppte sich das vermeintliche Lesbenpaar aber bloss als gross gewachsener Junge (mit Kampflesben-Frisur) und dessen Mutter. Zu unserer Entschuldigung sei gesagt, dass wir da wohl schon unter Fieberwahn litten. Jedenfalls steckte uns die Virenschleuder beide mit einer hartnäckigen Erkältung an. 

Und irgendwo hunderte Kilometer weiter südlich schnarchte ein greises Kirchenoberhaupt vor sich hin, ohne irgendetwas von all dem zu ahnen.